Das mag für diese Unternehmen zutreffen. Doch allgemeingültige Schlüsse sollte man daraus nicht abzuleiten versuchen – denn die 61 hatten sich für das Experiment aktiv beworben, waren dem Konzept gegenüber von vornherein aufgeschlossen.
Nicht in jeder Branche ist es egal, wann und wie viel gearbeitet wird, solange das Ergebnis passt. Pflege, Handel oder Produktion können die Arbeitszeit nicht so leicht optimieren wie etwa die Kreativbranche. Auch die Art, wie in der Studie die Produktivität erhoben worden ist, gilt Beobachtern als kritikwürdig: So seien mit der Arbeitszeitverkürzung auch organisatorische Abläufe verändert worden und die verbesserte Produktivität nicht auf die kürzere Arbeitszeit zurückzuführen.
Zuletzt bleibt fraglich, wie 20 Prozent weniger Arbeitszeit aufgefangen werden sollen. Pro geleisteter Stunde 25 Prozent mehr schaffen? Das kann niemand auf Dauer. Zu Recht fürchten Ökonomen Nachteile für Standorte, die ein solches Modell einführen wollten.
Die 4-Tage-Woche gibt es auch in anderen Formen: weniger, dafür längere Arbeitstage, bei gleichem Lohn. Oder: weniger Lohn für weniger Arbeit.
Dieses Modell ist bekannt und erprobt. Gerade Frauen entscheiden sich dafür, wenn sie Mütter werden – und finden sich oft noch Jahre später in der Teilzeitfalle. Während sie ihre Erwerbsarbeitszeit zugunsten von Haushalt und Familie zurückgeschraubt haben, leisten sie dort jahrelang unbezahlte Care-Arbeit: Sie kochen, sie waschen, sie pflegen Kinder und Angehörige. Dafür zahlen sie einen hohen Preis: verpasste Karriere-Chancen, niedrige Renten. Dieses Modell ist also gar nicht so fortschrittlich, wie es daherkommt. Ob Männer bereit wären, ihre Job-Privilegien zugunsten von mehr Einsatz in der Familie aufzugeben? Fraglich. Allemal wäre das wohl das Beste an der Idee der 4-Tage-Woche für alle.
Flexibilität und neue Arbeitszeitmodelle sind wichtig. Mehr Freizeit zum Nulltarif wird es nicht geben.
katrin.niedermair@athesia.it