Roboter-Kellner flitzen derzeit auch auf der Messe „Hotel“ in Bozen durch die Gänge. Dies zeigt: Die Technik und das Potenzial wären bereits da, Berufe in der Hotellerie- und Gastgewerbebranche durch Künstliche Intelligenz zu automatisieren. Doch wird sich dies auch durchsetzen? Diese Frage beantwortet Richard David Precht im Interview.
STOL: Herr Precht, sterben Berufe, wie der Rezeptionist und Koch, in Zukunft aus?
Richard David Precht: Ich glaube das nicht. Ich glaube, obwohl man das automatisieren könnte, wird es nicht unbedingt passieren.
STOL: Warum?
Precht: Es gibt einen Unterschied dahingehend, ob man einen Beruf rein theoretisch automatisieren kann, wie eben zum Beispiel jene des Rezeptionisten, und einen Beruf dann auch tatsächlich automatisieren will. Das hängt auch von der gesellschaftlichen Akzeptanz ab. Und ich bin sicherlich nicht der Einzige, der, wenn ich in die Dolomiten reise und in einem Gasthof nächtige, sich verdammt ärgern würde, wenn da nur rein Roboter an der Rezeption stehen würde. Ich glaube, dann würde ich da nicht mehr hingehen und ich glaube, da spreche ich für die Mehrheit.
STOL: Liegt also die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz in der fehlenden Menschlichkeit?
Precht: Ja, das Persönliche ist Menschen wichtig, wird auch wichtig bleiben und kann niemals durch Robotik ersetzt werden. Empathie-Berufe, also dort, wo ich mit anderen Menschen zu tun habe, werden bleiben und sind die großen Gewinner, selbst wenn ein neues Maschinen-Zeitalter von Künstlicher Intelligenz geistlich monotone Arbeiten, wie jene in der Verwaltung, ersetzen wird. Und zu diesen Empathie-Berufen gehören beispielsweise alle Servicekräfte.
STOL: Wie erklären Sie sich den Arbeitskräftemangel?
Precht: Wir haben im Augenblick die Situation, dass die Ansprüche der Menschen, die arbeiten, immer höher geworden sind.
STOL: Was meinen Sie konkret damit?
Precht: Work-Life-Balance ist mittlerweile ein veralteter Begriff. Ich will auch im Work, während der Arbeit selbst, eine Life-Balance haben. Das Wichtigste ist, dass die Arbeit Spaß macht, dass sie gut bezahlt ist, und dass ich genug Freizeit habe. Und das verträgt sich mit vielen Berufen nicht. Auch nicht mit vielen Berufen in der Hotellerie und Gastronomie. Viele Berufe können aber Stand heute noch nicht durch KI und Robotik ersetzt werden. Das heißt: Die Ansprüche der Menschen sind schneller gestiegen, als die Automatisierung liefern kann.
STOL: Wie muss sich Arbeit in Zukunft entwickeln?
Precht: Wenn in Zukunft ein großer Teil der Wertschöpfung nicht von Menschen gemacht wird, sondern von Maschinen, dann müssen wir grundsätzlich umdenken und das auf der Arbeit ausgerichtete Steuersystem deutlich reduzieren. Arbeit muss günstiger sein, das heißt, die Lohnnebenkosten müssen runtergehen. Ein möglicher Weg dabei ist die Wertschöpfungsabgabe.
Interview: Josef Bertignoll
Zur Person
Richard David Precht, geboren 1964, ist Philosoph, Publizist und Bestseller-Autor
Er ist Honorarprofessor für Philosophie und Ästhetik an der Hochschule für Musik Hanns Eisler in Berlin.
Seine Bücher wie „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“, „Liebe. Ein unordentliches Gefühl“ und „Die Kunst, kein Egoist zu sein“ sind internationale Bestseller und wurden in insgesamt mehr als 40 Sprachen übersetzt.
Seit 2012 moderiert er die Philosophie-Sendung „Precht“ im ZDF, für die er 2013 mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Besondere Leistung“ ausgezeichnet wurde.