Mittwoch, 25. September 2024

Theatrale Immersion in den 7 Tagen von Mariahaim

Bozen 1964: Bauerstochter Anna-Lisa befindet sich gerade mitten in den Vorbereitungen für ihre Hochzeit mit dem Knecht Giovanni, als sie von ihrer Vergangenheit eingeholt wird. Zwei ungebetene Gäste erscheinen im Ort und mit ihnen das Wissen um ein grauenvolles Verbrechen. Die Idylle zerfällt nach und nach, das generationenlange Schweigen bricht. Das Publikum findet sich in der Rolle der Hochzeitsgäste. Rückblickend erleben sie „Die 7 Tage von Mariahaim“, die alle und alles verändern.

Die 7 Tage von Mariahaim in Koproduktion mit den Vereinigten Bühnen Bozen bildet den Abschluss von Transart.

Das 2011 gegründete immersive Theaterensemble Nesterval versteht sich als „queeres Volkstheater“, das Klassiker der Literatur- oder Theatergeschichte in die Jetztzeit übersetzt, überzeichnet und dekonstruiert. Im Zentrum jeder Inszenierung steht die Lust am Spiel, das Schaffen eines theatralen Erlebnisraums und das Einbezogensein des Publikums in die Performance.

Sämtliche der bisher über 25 nationalen und internationalen Produktionen sind ortsspezifische Projekte, die auf den kulturellen, sozialen und historischen Hintergrund des jeweiligen Ortes Bezug nehmen – so auch in „Die 7 Tage von Mariahaim“, einer Koproduktion der Vereinigten Bühnen Bozen in Koproduktion mit dem Transart Festival. Hier werden die Verbindungslinien zweier Literaturvorlagen aus dem Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Genre des österreichischen Heimatfilms verknüpft.

Das Werk der finnischen Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Minna Canth trifft auf Marie von Ebner-Eschenbach’s „Krambambuli“ von 1883, aber auch dessen Verfilmung „Ruf der Wälder“ von 1965 von Franz Antel. Beide Literaturvorlagen wurden von Frauen verfasst, die durch ihre gesellschaftskritischen Werke wichtige politische Arbeit geleistet haben. Die Handlung des Stücks ergibt sich aus den literarischen Vorlagen und ihren gegenseitigen Begegnungen. Gewisse thematische Schnittmengen haben diese Ausgangswerke ohnehin, etwa Heimat, Fremde, Gewalt, Liebe, Schuld und stilistische Elemente des Naturalismus.



In den „7 Tagen von Mariahaim“ werden sie nun direkt miteinander verknüpft. In beiden Werken ist das Erscheinen von Fremden schon enthalten – dass diese Fremden obendrein aus dem jeweils anderen Werk stammen kommen, macht sie zu doppelten Fremden in den jeweiligen Heimatgeschichten.

Doch auch persönliche Familiengeschichten, Volksliedtexte, (Anti-)Heimatfilm-Motive und Beschimpfungen und Stammtischsprüche aus einschlägigen politischen Foren fließen ein. Da das Publikum bei Nesterval integraler und essenzieller Bestandteil sind, werden auch sie mit einer Vielzahl an Konflikten und Fragen konfrontiert. Wem glaube ich? Auf wessen Seite stelle ich mich? Fälle ich ein Urteil? Wie weit und wohin gehe ich? Sage ich etwas? Traue ich mich, zu fragen?

Dabei ist immersives Theater kein „Michmachtheater“, beteuert Martin Finnland, der künstlerische Leiter des Kollektivs. „Immersives Theater findet nicht auf einer Bühne statt, sondern im Raum mit dem Publikum. Das Publikum taucht dabei mit allen Sinnen ins Geschehen ein und wird mitunter auch zum Teil der Geschichte. Bei „Die 7 Tage von Mariahaim“ wird es zu Hochzeitsgästen, die für diesen Anlass in die Dorfgemeinschaft gekommen sind. Durch die Immersion schaffen wir es, unser Publikum emotional zu packen.“

Tickets für die Veranstaltungen vom 26., 28., 29.9 sind über Transart, für den 27.9. sowie 2. - 5.10. über die Vereinigten Bühnen Bozen buchbar.
Einige Termine (aktuell: 27., 28.9. und 4., 5.10.) sind bereits ausverkauft.

Beginn ist jeweils 20:00 Uhr – Dauer: 180 Minuten.

Infos finden Sie hier.

stol

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