Sonntag, 15. September 2024

„Beispiellose Extremsituation“ in NÖ – Feuerwehrmann stirbt – 20.000 im Einsatz

„Wir haben es mit einer noch nie dagewesenen Extremsituation zu tun“, sagte Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) zur dramatischen Lage in Niederösterreich. Entwarnung kann keine gegeben werden: Weitere 60 Liter Regen pro Quadratmeter werden in den nächsten Stunden erwartet, es werde weitere Überflutungen im ganzen Land geben. 20.000 Feuerwehrleute stehen im Dauereinsatz. Einer von ihnen kam bei Auspumparbeiten ums Leben.

Niederösterreich wurde zu Katastrophengebiet erklärt. - Video: stol

„Niederösterreich befindet sich in einer dramatischen Situation“, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Ganz Niederösterreich wurde zum Katastrophengebiet erklärt.


„Für viele Niederösterreicher werden es wahrscheinlich die schwersten Stunden ihres Lebens sein“

„Wir erleben in Niederösterreich schwere, dramatische Stunden. Für viele Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher werden es wahrscheinlich die schwersten Stunden ihres Lebens sein“, sagte Mikl-Leitner nach einer Lagebesprechung des Landesführungsstabes am Vormittag. „Wir können leider keine Entwarnung geben“, weitere massive Regenfälle seien vorhergesagt. Feuerwehr-Einsatzkräfte und Spezialgeräte wurden aus den Bundesländern Steiermark, Kärnten, Oberösterreich und Burgenland angefordert, ein Assistenzeinsatz des Bundesheeres werde in die Wege geleitet. Vonseiten des Bundesheeres stehen um die 1.000 Mann zur Verfügung, hieß es vom NÖ Militärkommando.

„Nehmen Sie nur Wege in Kauf, wenn es unbedingt notwendig ist“

In mehreren Gemeinden wurde Zivilschutzalarm ausgelöst. „Wir bitten Sie: Achten Sie auf sich selbst und vor allem auf die Anweisungen der Einsatzkräfte. Nehmen Sie nur Wege in Kauf, wenn es unbedingt notwendig ist“, so Mikl-Leitner. Zudem sollte man sich laufend über die Lage informieren.

„Eine noch nie dagewesenen Extremsituation“

„Wir haben es mit einer noch nie dagewesenen Extremsituation zu tun“, sagte Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Erwartet werden weitere 60 Liter Regen pro Quadratmeter in den nächsten Stunden, es werde weitere Überflutungen im ganzen Land geben. Am Vormittag werde der Stausee Ottenstein seine Speicherkapazität erreichen. Damit komme es am Kamp zu einem weiteren Anstieg der Pegel, Evakuierungen seien erfolgt bzw. im Laufen. Es sei möglich, dass die Hochwasserschutzmaßnahmen punktuell nicht ausreichen, wenn der Wert eines hundertjährlichen Hochwassers überschritten werde. „Es ist höchste Vorsicht geboten“, betonte Pernkopf.

20.000 Feuerwehrleute im Einsatz

1160 Feuerwehren waren mit 20.000 Mitgliedern im Einsatz. „Wir haben derzeit 2000 Einsätze auf der Warteliste, und es werden minütlich mehr“, betonte Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner: „Die Priorität liegt auf der Rettung von Menschen.“ Bisher wurden 1.100 Gebäude evakuiert. Kleinste Gewässer seien zu reißenden Bächen geworden. In St. Pölten wurde der Europaplatz überflutet, es sei in mehreren Bezirken zu Dammbrüchen gekommen.

Feuerwehrmann stirbt bei Unwettereinsatz

Auch einige Feuerwehrhäuser seien bereits überflutet. Ein Feuerwehrmann rutschte im Bezirk Tulln bei Auspumparbeiten über eine Stiege und starb.

„Wir werden alles tun, um unsere Schulen so weit wie möglich offen zu halten“, sagte Mikl-Leitner. Wer am Montag nicht in die Schule kommen könne, ohne sich selber zu gefährden, soll und kann zuhause bleiben. „Sicherheit geht vor“, betonte die Landeshauptfrau. FPÖ-Bildungssprecher Hermann Brückl hatte zuvor gefordert, die Schulen in den Katastrophengebieten am Montag zu schließen.

Bereits am Samstag wurden 42 Gemeinden bzw. Katastralgemeinden zum Katastrophengebiet erklärt. Am Sonntag kamen zunächst die Bezirke St. Pölten und Tulln dazu. Dann wurde das gesamte Landesgebiet zum Katastrophengebiet erklärt.

Person in Auto von Wassermassen eingeschlossen

Im Bezirk St. Pölten traten mehrere Gewässer über die Ufer. „Die Feuerwehren sind vorrangig mit Menschenrettungen aus Gebäuden oder Fahrzeugen befasst“, u.a. auch mit Booten bzw. Zillen, teilte das Bezirkskommando mit. Zudem kam es zu Stromausfällen. In mehreren Häusern waren Bewohner eingeschlossen. In Markersdorf wurden 4 Personen aus einem Gebäude gerettet. In Kirchberg an der Pielach wurde eine Person in ihrem Auto von den Wassermassen der Pielach eingeschlossen. Sie wurde von den Einsatzkräften gerettet. In Melk wurden aufgrund von plötzlich stark steigendem Wasser eines Baches 5 Personen und ein Hund aus 2 Einfamilienhäusern in Sicherheit gebracht. 2 Bewohner davon wurden durch die Wasserrettung St. Pölten mit einem Schlauchboot gerettet.

Angespannte Lage in Tschechien und Polen

Besonders angespannt ist die Lage auch in Polen und Tschechien. Zahlreiche Flüsse über die Ufer getreten. Tausende wurden evakuiert. Zum Teil dauern die Regenfälle noch bis Montag an.

Polen: Überschwemmungen fordern Todesopfer – „Situation ist dramatisch“


Klodzko. - Foto: © ANSA / Maciej Kulczynski

Bei Überschwemmungen in Polen hat es ein erstes Todesopfer gegeben. „Wir haben den ersten bestätigten Tod durch Ertrinken hier, im Bezirk Klodzko“, sagte Regierungschef Donald Tusk, der dort an einer Sitzung des Einsatzstabs teilnahm. Nach Angaben eines Sprechers der örtlichen Polizei handelt es sich bei dem Toten um einen Mann, der in dem Dorf Krosnovice unweit von Klodzko ums Leben gekommen ist. Die Polizei könne ihn nicht bergen, da der Ort überflutet sei. Tusk wiederholte seinen Appell an die Bevölkerung, die Evakuierungsaufrufe der Behörden ernst zu nehmen und sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. „Die Situation ist an vielen Orten dramatisch.“ Zwangsevakuierungen wurden angeordnet, es gibt Stromausfälle und das Leitungswasser st mancherorts nicht mehr trinkbar.

Tschechien: Tausende evakuiert, 250.000 Haushalte ohne Strom

Wegen des verheerenden Unwetters sind in Tschechien mehr als 250.000 Haushalte ohne Strom. Wegen der aufgeweichten Böden waren zahlreiche Bäume auf oberirdische Freileitungen und Hochspannungsleitungen gestürzt. Tausende Stadtbewohner mussten evakuiert werden; eine Gemeinde ist komplett von der Außenwelt abgeschnitten.

Wien: Überflutungen und Häuserevakuierungen



Am Sonntagvormittag erreichte das Unwetter auch Wien. Der Wienfluss trat stellenweise über die Ufer und überschwemmte Häuser, woraufhin Menschen evakuiert werden mussten. Einige Gebäude sind nur noch mit Booten erreichbar. In drei Bezirken kam es zu Stromausfällen. Die Feuerwehr rückte allein im Wiener Stadtgebiet zu über 1100 Einsätzen aus.

apa/jot

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